Der 2008 erschienene Roman «Das Museum der Unschuld» von Orhan Pamuk ist – zumindest aus männlicher Sicht – die vielleicht beste Beschreibung dessen, was gemeinhin als Liebeskummer bezeichnet wird. In seinem Essayfilm taucht Regisseur Grant Gee ein in den grossartigen Roman des Nobelpreisträgers, in das seit 2012 in Istanbul real existierende «Museum der Unschuld» und in die Nächte dieser schillernden Stadt.
Erzählt wird von einer obsessiven, unglücklichen Liebe im Istanbul der 1970er Jahre. Der junge Macho Kemal will Sibel heiraten, die wie er aus der Oberschicht stammt. Dennoch lässt er sich auf eine Affäre mit der 18jährigen, etwas naiven Füsun ein, die mit ihm entfernt verwandt ist. Eineinhalb Monate dauert das geheime Techtelmechtel mit der wunderschönen Cousine im Merhamet Apartmani. Doch am Tag als Kemal sich mit Sibel verlobt, verschwindet Füsun wie vom Erdboden verschluckt.
Erst jetzt erkennt Kemal, wie viel ihm Füsun bedeutet. In seiner Verzweiflung sucht er weiterhin fast täglich das Apartmani auf, doch das einzige, was ihm bleibt, sind die Erinnerungen und Dinge, die seine Geliebte dort berührt hat. Hier beginnt Kemals Tick, Gegenstände von Füsun zu sammeln, die er streicheln, liebkosen oder «inhalieren» kann. Als er Füsun ein Jahr später endlich wieder findet, nimmt diese Obsession noch viel groteskere Ausmasse an...
Orhan Pamuk erzählt von einer Gesellschaftsschicht der Türkei, die in vielem westlich erscheint und doch traditionelle Züge trägt – ein Kontrast, der subtile Ironie erzeugt. Von Anfang an plante er auch die Errichtung des Museums in Istanbul, das Fotos, Erinnerungsgegenstände und Dokumente aus der Welt des Buches versammelt. Eine faszinierende, fetischistische und imaginäre Parallelwelt, die in «Innocence of Memories» noch weiter getrieben wird. Der Film lässt uns eintauchen in den Kosmos dieses grossen Autors und seiner geliebten Stadt am Bosporus.
DCP, 97 Minuten, color, E,T/d
Regie:
Grant Gee
Buch:
Orhan Pamuk, Grant Gee
Kamera:
Grant Gee
Schnitt:
Jerry Chater
Ton:
Ken Galvin
Musik:
Leyland Kirkby
DarstellerInnen:
Pandora Colin (Ayla), Mehmet Ergen (Kemal), Ara Güler (Fotograf), Süleyman Fidaye (Taxi), Dursun Saka (Ragpicker), Türkan Soray (Schauspielerin)
Grant Gee ist anwesend.