Andrea Lüthi: "Im März 2011 gingen die Katastrophenbilder aus Japan um die Welt. Beim Erdbeben und dem nachfolgenden Tsunami verloren unzählige Menschen ihr Leben. In den Reaktoren des Atomkraftwerks in Fukushima kam es zur Kernschmelze, die Gegend wurde zur Sperrzone erklärt. Rund ein Jahr später ist hier der japanische Regisseur Toshi Fujiwara mit seinem Kameramann unterwegs. In der Sperrzone scheint sich alles in einem Schwebezustand, in einer Schreckensstarre zu befinden; die Trümmer bleiben liegen. Fujiwara spürt der Stimmung unter den Menschen nach. Man fühlt sich von der Regierung im Stich gelassen, und doch wird niemand offen angeklagt. Hilflosigkeit dringt durch – auch bei den Polizisten, die vermummt in weisse Schutzanzüge die verlassenen Dörfer durchstreifen.
Fujiwara stellt nicht den Anspruch, dem Unglück auf den Grund zu gehen oder die Schuldigen zu suchen. Vielmehr regt die ruhige Stimme aus dem Off zum Nachdenken an – nicht nur über Fukushima, sondern allgemein über den Umgang mit Bildern von Katastrophen. Helfen Bilder tatsächlich, die Welt zu verstehen? Sind wir süchtig nach Katastrophenbildern? Fujiwara lässt den Zuschauern Zeit, die Bilder auf sich wirken zu lassen und zu verarbeiten. Er nähert sich einem Ereignis, das zu reisserischem Umgang verlockt, wohltuend besonnen und doch eindringlich, ohne alles zeigen oder erklären zu müssen."
Andrea Lüthi, Kulturjournalistin, für ref.ch
«Als ich in den Medien über die Katastrophe las, hatte ich das seltsame Gefühl, dass die Menschen, die unmittelbar von der Katastrophe betroffen waren, nicht genügend Beachtung fanden», erklärt Fujiwara.
JAPAN 2012, 103 Min., Farbe, Japanisch/E, UT d
Buch und Regie:
Fujiwara Toshi
Kamera:
Kato Takanobu
Schnitt:
Isabelle Ingold
Ton:
Usui Masaru
Musik:
Barre Phillips
Als Gast die Journalistin Susan Boos